Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
Salzburg Austria
The Packard Humanities Institute
Los Altos California, USA
Morgenstern Anja text encoding, text editing Kelnreiter Franz technical supervisor, data modelling Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg Wissenschaftliche Abteilung. Digitale Mozart-Edition Ulrich Leisinger Digitale Mozart-Edition https://dme.mozarteum.at
2020-02 CC BY-NC-SA 4.0 https://dme.mozarteum.at/DME/briefe/letter.php?mid=648 Verbleib unbekannt (Vorlage: Abschrift um 1768 in D-B) last file update: Wed May 11 14:48:19 2022
LEOPOLD MOZART AN LORENZ HAGENAUER IN SALZBURG LONDON, 28. JUNI 1764
___________________________________25 ______________________________________\hfill London den 28. Junij Monsieur!_____________________________________________\hfill 1764. _______________________________d 10t Juli _______________________________empfang Mit der letzten Pariser Post erhalte hierbeÿ geschlossenen WexlBrief; Ich unterlasse demnach nicht solchen alsogleich an Sie einzusenden, um also gleich Ge=brauch davon machen zu können. Da ich mich auf diesen Handel sonderheitlich in die ferne nicht viel verstehe, so habe mit den hiesigen Banquiers Loubier et Teis=sier als meinen sehr guten Freunden dar=über gesprochen, die dann nach Einsehung meines von Ms: Tourton et Baur aus Paris erhaltenen Briefes und der darinnen angesetzten 179 12  chang: Difference den Valeur der 200 Louis d'or richtig ge=funden. Sie werden demnach nicht er= mangeln solchen alsobald nach Hamburg zu schicken, und nach geschechener dessen acceptirung mir die 2250 f: gut zu schreiben. Anbeÿ kann ich ihnen mit Vergnügen melden, daß ich beÿ erst be=nannten Banquiers Loubier et Teissier abermahl eine kleine Suma von 100 guinées liegen habe, die ich iemand in Salzburg zu Diensten in diesen Gegen=den könnte bezahlen lassen. Können sie selbst solche in Paris, Haag, Amster=dam, Hamburg p oder sonst wo gebrau=chen; so wird es mir höchst angenehm seÿn: und da ich sehe, daß vielleicht im=mer etwas über-rest nach Salzburg zu übermachen haben werde; als ersuche dafür Bedacht zu seÿn, und mir an die Hand zu gehen. Sollte im Falle eben eine grössere Summa zu bezahlen seÿn; so kann noch um 30, 40, auch 50. gui=neés mehr übermachen ohne mich von Geld zu entblösen. ferner muß ihnen Nachricht geben, daß sie künftighin meine Briefe mit folgender aufschrifte möchten abgehen lassen. Mr: Mozart chez Mrs Charles Loubier et Teissier Banquiers. Austin-Friars.__________London. Wir gehen zu Ende der kommenden Woche nach Tunbridge etwa 30. engl: Meilen von hier; daß man in 3. oder 4. Stunden auf der Post macht, denn eine englische Meile ist nicht mehr als eine Teutsche Viertelstunde. Es ist ein Gesund Baad alda und liegt im Ecke zwischen Aufgang und Mittag, wo sich sehr viele Noblesse im Julio und August versammelt: denn ietzt bleibt niemand, wer Zeit und Vermögen hat, in London. Wenn sie mir nach der obigen Addresse zuschreiben, so erhalte ihr schreiben richtig, denn diese Herrn wissen allzeit, wo ich bin. Unterdessen hoffe Sie werden 2. Briefe von mir er=halten haben, nämlich einen, wie glaube, unterm 28 oder 29. Maij, und den zweÿ=ten unterm 8 oder 9.t Junij. Nun muß ich ihnen doch einen kleinen Geschmak von dem Preis der Sachen in London geben. das Quartier so ich habe ist zu klein für uns und bestehet in 3. kleinen Zimmern, deren eines und auch das zweÿ=te etwas grösser, das 3.te aber nicht einmahl so gross als das Cabinetl in unserm Quartier zu Salzburg ist. Da=für zahlen wir wochentlich 12. Schilling. Nun wissen sie, daß 21. Schillings ein guinée ist. Wenn wir nicht gewust hätten, daß wir ohnehin aufs Land gieng=en, so hätten wir es gleich abgeändert: wir müssen ein Quartier haben wenigst für 18. Schilling oder einen guinée wochent=lich weil nichts als Leute von Distinction zu uns kommen, weil ein paar Flügel einen grossen Platz weg nehmen, und wir dermahl nur einen mit Noth stellen kön=nen; und weil die Lage und grösse eines Quartiers in einer so volckreichen _________________________________________________Statt, Statt, wo so viel Dampf, Rauch, Staub, und Nebl ist, vieles zur Erhaltung der Gesundheit beÿträgt. Für einen Flügel mit einem Manual bezahlt man monatl:  12 guineé: mit 2. Manual einen Guineé. Der Wohlfeilste Wein ist der Wein von Florenz à 2. Schilling die Buttelien: Das sind in stroh eingeflochtene Boutellien wie die Monte Bul: Boutell: folglich wird man, wenn ich und meine Frau davon trincken und den Kindern etwas weniges unter das Wasser giessen, da das pure Wasser nichts nutz ist, gar leicht des Tages mit einer Bout: fertig. Das sind also 60. Schilling des Monats nur Wein. Wir wollten uns anfäng=lich zum Bier gewöhnen: Allein, sowohl ich als meine Frau wurden bald gewahr, daß es unserer Gesundheit höchst schädlich ware; wir musten es bleiben lassen. Die Mittagsmahlzeit, die um 3. Uhr ist, kostet 4. Schilling. Wir glaub=ten es mit 3. Schilling zu machen; wir kammen zum 4.t Tracteur: allein es war nicht möglich. des Abends können wir eine blosse Suppe unter 8. Pennys oder Sols, ein wenig eingemacht kalbfleisch un=ter einem Schilling nicht bekommen. Ein Hendl kostet 2. Schilling. Ich habe ihnen schon gesagt, daß 12. Pennys oder Sols ein Schilling ist. Nun sage nichts von Zucker, Theé, Milch, Brod p von Kohlen |: kein Holz wird nicht gebrannt :| und von Kerzen und Nachtlicht-Kerzen: dann man brennt statt Oehl eigens gemachte Kerzen, die einen hölzern Tacht haben. Ich sage ferner nichts von Puder, Pomad p und vielen kleinen Hausausgaben: noch we=niger von Kleidung, und von dem woch=entlichen Wascherlohn, welches mit Ein=rechnung der seidenen Striempf kein kleiner Articul ist. – – – Wenn sie dieses alles überschlagen, wo mir doch nicht alles beÿfallt, so werden sie eine erstaunliche Ausgaabe finden. Dazu gehört aber noch eine unumgängliche Divertissements Ausgaabe. Denn so bald gut Wetter ist, muß man aus der Statt gehen oder fahren und Luft schöpfen, wenn man anders ge=sund bleiben will. Da sehen sie im S:t James Park, oder im green Park oder im Hyde Park viele 100. Menschen auf und nieder spazieren. Wollen sie nach Chelsea, nach RenelachRanelagh, nach Marj le BoneMarÿ-le-Bone, nach Vaux=hall &c gehen oder fahren, so ist gleich eine guineé aus dem Sack; und beÿ der grö=sten Hauswirtschaft, die sie machen, därf=fen sie immer 3. guinées monathlich auf solche Ausgaaben rechnen. Von den Fiacres und Carosses de RemisesRemise sage ich gar nichts, weil ich sie seltner als in Paris nöthig habe; dann erstlich ist der Weg an den Häusern gut, und der fahrweg elendig: man gehet also lieber zu Fuß, als daß man Gefahr läuft ein paar Rippen im Leib zu zerbrechen. Zweÿtens wohne ich im Theil von West=münsterWestminster; ich bin also dem AdlAdel nahe. Doch müssen wir die Kutsche oft genug haben. Dem Fiacre bezahlet man für eine einzige nicht weite fahrt einen Schilling, auch 15 und 18 Penÿs. eine Carosse de Remise oder Lechenkutsche kommt nur für einen halben Tag sammt dem Trinckgelt auf 15. bis 16 Schillings. Was meinen sie liebste Frau Hagenauerin, was eine Dienstmagd hier in einem Wirtshauße, Kaufmannshause, oder in sonst einem Hau=se, wo es viel zu thun giebt, jährlichen Lohn hat. – – 10 guineés, auch 12. guinées. NB: ohne die Trinckgelter, die hier ganz erstaunlich im schwange sind. Der Ordi=narie lohn in einem gemeinen Hause sind 5 und 6 guineés; ein domestique Herrn Bediennter, Laquai p hat weniger nicht als die Woche einen guineé, und seine Kleidung und trinckgelter. die Kost muß er sich aber selbst anschaffen. Alle Handwerksgesellen müssen sich kost und Zimmer selbst anschaffen, und kommen zum Meister in der frühe zur rechten Stunde zur Arbeit. Z: E: ein Perucken=_____________________________________________macher macher Gesell hat gewöhnlich 2. Schilling des Tages muß um 6. Uhr zur Arbeit kom=men. Es giebt auch einige die 3. Schil=ling haben. Die meisten guten Arbei=ter haben wochentlich eine guineé. Ein Goldarbeiter gehet um 9. Uhr erst zur Ar=beit und um 6. Uhr wieder davon p aus diesem wenigen können sie schon abnehmen, was London ist. – – Nun etwas von RennelachRanelagh und Vauxhall. – – Dieses sind 2. Gärten, die in ihrer Art ihres gleichen in der Welt nicht haben: solche gänzlich zu beschreiben wäre nicht möglich. Allein ich werde seiner Zeit, wenn Gott will, nicht nur von diesen, sonderen von vielen anderen Sachen sowohl von Paris als Lon=don die Abbildungen in Kupfer mitbrin=gen. dann lässt sich eine mehrere Er=klärung davon machen. ich hab bereits um 2. Louis d'or Kupferstiche in Paris liegen. Ich bedaure nur, daß ich es nicht ihnen ietzt schon alles erzehlen kann, allein das ist platterdings unmöglich: denn wegen ein paar Tausend Gulden bin ich nicht nach Engelland gereiset. Wenn uns der all=mächtige Gott gesund bleiben lässt und seinen göttlichen Seegen, den er uns so gnädigst mitgetheilet hat, nicht entziehet, so hoffe einige 100. guinées von hier nach Salzburg zu schicken. Und es wird nicht übel sein, wenn dann iemand am Salz=burg: Hofe ist, der englisch spricht; man weis nicht, wo es dienen kann. Der Garten zu RennelachRanelagh ist nicht groß, aber artig, dieser wird alle Montag, Mitt=woche und Freÿtag illuminiert. In dem=selben ist ein erstaunlich grosser Runder Saal zu ebenfuss hinein, welcher mit einer unbeschreiblichen Menge grossen Häng= leuchter, Lampen und Wandleuchtern be=leuchtet ist. An einer Seite ist die Mu=sick staffelweis angebracht, und an der Höhe eine Orgel. 3. Stunde dauert die Mu=sick, von 7. Uhr bis 10 Uhr: dann eine Stunde und oft länger, nämlich bis 11. und 12. Uhr werden quartetten gespielt von Waldhorn, Clarinetten und Fagott. In der Mitte ist ein grosser Camin, da man, wenns kalt ist feur macht, dann dieser Garten wird schon im Merz oder april eröffnet; dann die meiste diversion ist im Saal. Um den Camin sind vielle Tische, und an den Wänden des ganzen Saales sind lauter einbüge oder Arten von alcofen oder kleine Capelln, in ie=dem ein Tisch, und über eine Stiege hinauf eben so viele Logen, wie in einem Comoe=dien Haus, auch mit so viel Tischen. Auf iedem Tische stehet alles was zum Coffeé und Theé trincken nötig ist. Beÿm Ein= gange in den Garten zahlt iede Person 2 12 Schilling. Für dieses hat er Coffeé, Thée Butter und Brod, so viel er essen und trincken mag. Hier hat man Platz noch über daß in der Mitte spatzieren zu gehen, wie dann auch immer 2. bis 3. auch 4,500 Menschen in der Runde herum=spazieren und immer einander begegnen. Damit aber theils linder zu gehen ist, theils kein Lerm von gehen entstehet: so ist der Boden durchaus mit einer von Strohe fein geflochtnen Matte oder Teppich bedeket. im Garten und Saal haben wenigst 6000 Menschen Platz. Der Saal allein fasset bequemme 3000. Menschen. Jeder Bedienter oder Aufwarter hat einen Schild auf der Brust, darauf die Numern sind von der Loge oder Capellen die er zu bedienen hat. Hier ist ieder Mensch gleich, und kein Lord giebt zu, daß man mit blossen Haupt vor ihm stehet: für sein Geld ist iederman gleich. Vauxhall ist alle Tage. RennelachRanelagh wird bald aufhören, indem so bald die grosse Hitze kommt alles nach Vauxhall laufft. Freÿtags den 29.t Junij nämlich in Festo S: Petri et Pauli wird in RenelachRanelagh ein Concert oder Benefit zum Nutzen eines neu aufgerichteten Hospitals de femmes en Couche gemacht. folglich muß iede Per=son 5. Schillings entréentrée zahlen. Ich lasse den Wolfgang: ein Concert auf der Or=gel da spielen und dadurch einen Act eines englischen Patrioten, der, so viel an ihm ist, den Nutzen dieses pro bono publicipublico _________________________________________errichteten errichteten Spittals zu befördern suchet, auszuüben. sehen sie, das ist ein weeg sich die Liebe dieser ganz besonderen Nation zu erwerben. Vauxhall ist etwas, daß mich in Er=staunung gesetzt hat, und unmöglich zu be=schreiben ist. Ich habe mir die Eliseischen Felder vorgebildet. Stellen sie sich einen ungemein grossen Garten vor, der alle Arten von Alleen hat, die alle wie der helle Tage mit viel 1000 Lampen, die alle in den schönsten Gläsern eingeschlossen, beleichtet sind. In der Mitte ist ein Art von einem hohen offnen Sommerhause, darin eine Orgel und die Musick mit Trompeten und Paucken und allen Instrumenten zu hören ist. Auf allen Seiten Eggen und Plätzen sind gedeckte Tische, dan gewisse NB: regulair angelegte Gebäude, wie Logen mit Tischen; Ein grosser Saal der sehr schön ist, mit einer Orgel und Musick Chor; die Beleuchtung an dem Ende der Alleen theils wie Pyramiten, theils wie=gen bezauberend angeordnet, und so, daß ich nicht wuste, wo ich meine Augen hinwenden sollte. Stellen sie sich meine Frau vor, in was für einer Verwunderung sie war. Wir wünschten zugleich unter vielen unseren guten Freunden die Frau von Robini und Frau Hagenauerin beÿ uns zu haben. Welches wir beÿ vielen Gelegen=heiten wünschen. Hier müste ich auf eine ganz andere Materie verfallen und von Spitzen, Bändern, Taffta, Mantl, Halstüchl, Hauben, Palatinl, Perlen, all arten Ge=schmuck und absonderlich von den Persen zu reden, die wir täglich an dem englischen Frauenzimmer und in dem Boutiquen sehen. von welcher Materie ein anders mahl, genug, das die Bänder, Taffta und Perss den französischen übertrifft, Und in unsern Gegenden Teutschlands gar nicht gebracht wird: man nennet ihn Ost=indischen Perß. Nun auf Vauxhall wie=der zu kommen. Hier zahlt iede Person nur einen Schilling: und für diesen Schilling hat man das vergnügen viel 1000 Menschen, den schönst beleuchteten Gar= ten zu sehen und schöne Music zu hören. wie ich da war, waren über 6000. Menschen da. 1. Schilling ist nicht viel. Allein man weis wohl, das man mit einem Schilling hinein komt: doch man weis nicht wie man herauskömmt. Man mache nur den vesten Vorsatz kein Geld zu verzehren; weit gefehlt. Man gehet hin und her; man wird müde; man setzet sich nieder; End=lich lässt man sich ein Bout: Wein geben, etwa einige Biscuit dazu, das kost gleich 4 bis 5. Schilling, endlich sieht man ein paar Hendl tragen, man winkt ihnen; sie kom=men; sehen sie so werden die guinées aus dem Sack gelockt. Wem die illumina=tion von viel 1000. Lichtern zu viel düncket, dem sage ich, daß in einem einzigen Glaß, so ein Liecht vorstellet, allzeit 2. Lampen, in deren vielen 3 und 4 Lampen sind. dieß ist etwas, daß in der ganzen Welt nicht seÿn kann, als nur hier, weil täglich solche unkosten zu machen weder die Privat Leute alleine, weder der Adl alleine zu unterhalten im Stande ist, und nirgends sind der Adl und der gemeine Mann so vereinigt als hier; folglich kann ein solch kostbares Unternehmen nirgends als in Engelland Soutinirt werden. Nun sind mir die finger müde. empfehle ich mich ganz Salzburg: meine Frau empfehle ich samt der Nanerl und dem Wolfgang: welcher oft genug nach Salzburg denckt. ich bin______________________ \hfill Der Alte Ist der arme H: Zugseisen nicht besser? p: s: d 18t dieß war Mittags id est nachmittag um 2 uhr ein erstaunliches Donnerwetter, so unter andern in einen Kirch Thurn in dem theil der Stadt unfern der themse eingeschlag, und ein ganzes quatrat herunter geworf. Es war eine Art wie es damahls zu Mülln in dem thurn und in die kirche schlug. Es fuhr auch dem uhr drat nach. 2 Millords sagten mir letzlich, daß in china von jedem Haus ein drat bis auf die Erde herunter gehe, und daß man die Wirckung davon alzeit hätte, daß sich der Donner an dem Drat angehänget, und in die Erde gefahr, ohne die Hauser zu beschädigen.