Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart
Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family
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Digitale Mozart-Edition
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LEOPOLD MOZART AN MARIA ANNA VON BERCHTOLD ZU SONNENBURG IN ST. GILGEN
SALZBURG, 2. UND 3. DEZEMBER 1785
_____________________________________________________________________\hfill Salzb d: 2t Decemb:
Der Leopoldl befindet sich gesund!_______________________________\hfill 1785
Schon seit einig Woch hatte ich zu zeit ein Schmerz an den
äussern Theilen d link Ohrkruspel. seit einig Tag aber,
und schon da den Brief durch die Glasträgerin schrieb wars
roth und nun seit 3 tag so stark geschwoll, daß mit dem grösst
Verdruss zu Hause bleib und den schmerzhaft Theil recht warm
halt muß, folglich noch zum Ärgerniss am verhüllt link Ohr
nicht höre. gestern brachte endlich der Austräger ein wohlver=wahrtes Päckl vom Postwag mit den 6 quartett, und 3 Spart.
näml: ein quartett mit dem Clavier, Violino, Viola, und
Violoncello obligato. dan die 2 grossen neu Clavier Concerte.
das Clavier quartetto ist erst vom 16t october dieses jahr, und
lieg schon das Violin u Viola, weils bereits gestoch sind, im
Abdruk dabeÿ. mir war mörderisch die Zeit lang. zum glück
kam um 5 uhr d junge Preÿman, – und ob ich gleich meine Aug
nicht recht mehr in Ordnung hatte, da nothwendig ein ganz
erstaunlich lang Brief vor, und Nachmittag an Marchand
zustande u auf die Post bring musste, so diente es mir doch
zur Unterhaltung bis 8 uhr 3 der neu quartett mit dem
Preÿman ernstlich durchzuspiel, damit wir solche nach der Hand
zusam mach kön, da auch ein zur Violin 2do u Violoncello ab=richt, ich aber die Viola spiel werde. – Nun hat d Noten=schreiber wied genug zu schreib; es wird aber langsam hergeh.
die ClavierPartÿ lasse ihn zu erst schreib, da giebts beÿ den
Concert was zu exercier.
Die Theatergeschichte mit dem h: Grätz, war sein unverhoftes
grosses Glük. Er ist wirkl: gestern frühe nach Ve=nedig auf h: Sigmund Hafners Unköst abgereist,
komt mit sein Bedient freÿ nach Botzen, u von dort wird
er freÿ nach Venedig gelifert, wo er alle Monate 4 duggatt
gewisses Geld empfängt, und was er weiter nötig hat, nur
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meld, u ein Jahr, u auch länger bleib darf. h: Gschwendner gab
ihm zur Reise 12 duggatt u h: Hafner, ich weis nicht mehr, wie
viel Thaler. h: Gschwendner muß sehr reich seÿn, den seine
Verschwendung zieht seit einiger Zeit aller – auch Handlsleute –
aufmerksamkeit auf sich, da man ihn, nur für seine Unter=haltung, nicht unter jährl: 2000 f aushalt möchte.
diese Geschichte mit dem h: Gratz gieng in 3 täg vorbeÿ, –
Im CoffeeHaus wurde von d Theatergeschichte über die Comoe=diant geschmehlt, – Gratz als ein Mensch von Geschicklichkeit,
gelobt, wen er etwas erfahrte und in Itali opern hörte;
den 2t Tag fragte h: Gschwendner, ob wohl aus diesem Mensch
etwas werd könnte; – und da man es ihm mit
Ja versicherte: sagte h: Hafner d 3t Tag im CoffeHaus
zum Gratz: er solle morg frühe um 8 uhr zu ihm kom.
den h: Hafner \newpage war allzeit im CoffeeHaus und hörte alle
die raisonements die da vorgieng: – und so komt Gratz
zu seinem Glück. Er war vorgestern von 10 uhr bis
12 uhr vormittag beÿ mir sich zu informier u zu beur=laub.
Eben komt d Both. – Ich danke euch für die Fische.
Da in deinem Brief lese, daß es weg dem Comœd: Teller
und der Am: tonerl eine abscheuliche Geschichte ist; so muß dir
schon noch ganz abscheulichere Dinge erzehlen. h: Teller wollte die
Sache auf h: Waitzhofer schieben, und sie stritt sich lang darüber,
wer cher Papa seÿn sollte. Die Sache ist so geheim, daß mirs h:
Gratz, da von and Lumpereÿ die Rede war, die ihr gleich hör
od les sollt, von freÿ Stück, als etwas allgemein bekanntes
erzehlte. was sagt ihr nun dazu? – – M:dme Hornung, die nun abermahl
ihren theil hat, und doch ehrlich niederkom will, soll ihrem Mane
geschrieb hab, daß sie schwanger seÿ, und hoffe, daß er, nachdem
sie ihm so oft aus d Noth geholfen, er ihr auch itzt hinaushelfen
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und ihr ein Brief schreib werde, und vorgeb, daß er unter d Zeit
beÿ ihr in Augspurg geschlaff hätte p: – ihr Man antwortete auch,
daß er, wen sie ihm 6 duggatt schickt, es ohne all Anstand thun wolle.
an jemand von d Gesellschaft schrieb er, daß er es dem Holzman von
Herz göne, wen er an den verwelkt Reitz seiner Frau noch so
viel Vergnüg finde. – die schwäbische neue Sängerin Mss:le Kraus,
soll dem h: Waitzhofer besucht werd; worüber ande Anbetter aus
der Gesellschaft sehr ungehalt sind. Md:me Weizhofer und Teller
sind bekanntermass ohnehin ein paar; ob er gleich seine Nachbarin
Simonelli Nanerl fleisig besucht und die Waitzhoferin in einem
Mantl eingeschlag als Mansbild beÿm Hauß vorgepasst |: Nachts :|
und dem Teller beÿm herausgeh eine ohrfeige gegeb. da dieser
nun die Gesellschaft augenblicklich zu verlass drohete, weil er selbst
Geld hat, so wollte sich Md:me Waitzhoffer Todschüssen.
warum hat aber Teller geld? warum hält er ein bedient? warum
ein Wagen? warum hat er Silber Service und prächtige gardarobbe?
Weil seine Frau eine vortrefflich schöne, feine und abgeführte
Buhlerin ist, die, um Freÿ mit ihrem LeibsCapital sich
viel Geld erwerb zu kön, ihn mit allem herrlich verseh weiter ge=schickt hat, und ihn mit Geld unterstützet, damit er sie in ihrer
Arbeit nicht stöhre. Es kom oft brief mit Geld an ihn, und
h: Rauchenpichler sagte uns, daß auch er ihm ein Brief mit
150 f zu behändig hatte.
Ich u viele hätt glaub soll, daß Peÿrl und seine Frau die ordent=lichst von all wär, sondheitl: weil sie mit einand 25 f die woche
haben. allein wir betrog uns alle! Sie hab niemand als der
Paÿerl Mutter beÿ sich, nämlich die Fr: Bernerin, da die
Md:me Peyrl des Berners Tochter ist. Sobald nun die cher
Mama nur den Mund öffnet, schreyt die Tochter schon:
halts Maul du altes Lued! du alte Bestie! od ich reds
weiter du Canaglie!
p: p: p: und was meint ihr, was den
noch schönes weiter? – – – daß du mich ums Geld zur Hure
gemacht, beÿ Cavalliers eingesperrt p p p: habt ihr genug? –
Nein! es heist auch noch: Mein Vatter hält ein Hurhaus von
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jung Mädchen, – schwängert eine nach der and p p: – Nun aber habt
ihr doch genug! – – – komt iemand zu M:de Peyrl, so geht
der Man gleich aus. – dermahl war d Zeitungschreiber, und
h: Gschwendner die bekannt Visitt. letzterer hat sie sehr oft
bald beÿm Eyzenberger, bald and orts beÿ tractament und
Soupée, spazierfarth p:p: dan giebts present genug,
ich weis alleine gewis auf einmahl 6 paar Schue, und ein
Stoff zu einem Kleid. – d Man geht auch seines weegs,
und die cher Mama braucht zur Abkühlung den Theater=Friseur. Unterdess weis ich, daß die M:dme Paÿerl kein
ganzes Hemd hat, auf dieses denk die adorateurs nicht,
und sie verthun ihr Geld, als wens der Teufl hollte.
Ferner sagt man, daß itzt ein Fleischhackers Mensch hayrath
soll, die vom h: Schilling Geld fordert, weil er sie
samt ihr dreckich Füssen, wie sie aus dem Viehstall abends
gieng, auf die Stiege niedgeworff und ihr eine doppelte
Leber gemacht hat. Nun was sagt ihr? – daß wär ande Neu=igkeit, als daß 2 geistl: durchgegang, wovon ich nichts weis.
war eine abscheulichere Gesellschaft hier? – h: Poÿsel und
seine Frau sind das einzige ehrliche Ehepaar dieser Truppe.
Ich bitte mirs aber aus, daß dieses niemand zu lesen be=komt, ich erzehls nur euch.
H: Doctor Barisani empfehlt sich euch, und küsset dir die Hände.
Hier schicke Pilluln, davon du 4 Täg morgens und abends
nehm, und dan 2 Täg aussetz, dan solche wieder nehm
sollst. – du sollst aber erst die Pillul zu nehm anfang, wen
die 9 Täge vorbeÿ sind. – wens nun hernach in die 4te
Wochen geht, wo es kom soll, dan sollst eine Luftlass
von 5 bis 6 untz vornehm, um es zu befördern, daß
es zu dieser recht Zeit eher kom möchte. Die Nandl be=hauptet imer, du wärst schwanger, da es ofter geschieht,
daß es denoch noch einige mahl unordentlich komt. NB eine
Zeit nach den Pillul, etwa nach einer Viertlstund, musst, wie sonst,
Kamill Thée nehm, – vielleicht kanst auch nach 3 täg mit den Pillul
ein paar Tage aussetz; – nachdem du dich befindest, u dan wied nehm.
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Hier schlüsse den Brief vom Marchand beÿ, den mir mit künftig
Both wied zurük erbitte. Die Schrift, die die Burgerschaft dem
Khurf: vortragen ist gegen den Kayser gar nicht schmeichelhaft.
Die Antwort des Khurf: aber ist mir zu kalt, und sagt von
nichts, als alt vorgegangen Sach, das ohnehin schon bekannt war.
Was aber d Herzog von Zweybrük zum h: von Reindl sagte,
ist freÿlich sehr beruhigend. – ich einmahl glaube vest,
daß Östereich den Ländvertausch nicht mehr aus den Augen
lassen wird. Russland hat ihr Theil dessweg an d Krim p:
bereits erhalt: Frankreich weis sein Theil, den es da=durch bekomt, u auch wünscht. – Wird wohl Preussen mit
einem klein Anhang es mit dies 3 Mächt aufnehm? – –
Nimermehr! Preuss machte nur darum so ein Lermen,
um Gelegenheit zu bekom sich auch einzumisch zu därff,
und auch etwas zu erbettlen. – Preuss wird auch etwas
in Vorschlag bring, das ihm taugt. – kan man sich vergleich,
dan geht Ländertausch, – Röm: Königswahl, – und vielleicht
auch das Churfürsten- thum für das Wirttemberg: Hause sein
richtig gerad Weeg.
\newpage den 3t Dec: morgens!
Der Leopoldl befindet sich wohlauf; und mein Ohr ist auch besser.
Mitwoch abends hatt wir ein erschröckl: Wind, donerstag u Freÿtag
fiel starker Schnee. Nun wird man erst wildschur seh, den bis itzt sah
man keine noch; ich gieng auch noch ohne Wildschur, den es war imer
gemässigt kalt.
Mit d Robinisch ist imer abwechselnd. itzt hab sie die Vertheilung
unter sich gemacht, – ich sahe den h: Hagenauer die 3 Ausfertigung
unterschreib als Beÿstand.
Weg dem Clavier muß man schon den Orgelmacher abwart, den
man muß die genaueste näml: Proportion d Seit wissen, und so
gar obs weitschichtig od eng überspon sind, – daran liegt sehr viel,
und macht ein gross Unterschied. itzt ist freylich die Zeit, wo
sich das fortepiano imer verstim wird, so wie die Luft sich ins
Holz setzt, die gar ein feiner körper ist, der überall durchdringt;
das spielen erhitzt alles wied, dan änderts sich auch etwas.
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h: Schmid wirds schon in Ordnung bring, und so viel aus seinem Schreib
abnahm, wird er in den tiefern Tön, ande Seit aufzieh.
Mit der glasträgerin, wen sie wied komt, werde die oeuvres melées
schicken.
Weg der Ankündigung des Silbers in den Zeitung, werde es über=legen, was, – und wie es schicklich zu thun ist.
Hier folgt das Uhrgeheis, ich nahms niemals in obacht,
weil ein Papier darauf lag.
Nun küsse euch beyde von Herz, grüsse die Kind,
und bin ewig euer redlicher Vatter
______________________________________________________________\hfill Mozart mp
Die Nandl u Tresel empfehl sich.
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