Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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2020-01 CC BY-NC-SA 4.0 https://dme.mozarteum.at/DME/briefe/letter.php?mid=657 Verbleib unbekannt (Vorlage: Abschrift um 1768 in D-B) last file update: Wed May 11 14:48:20 2022
LEOPOLD MOZART AN LORENZ HAGENAUER IN SALZBURG LONDON, 9. JULI 1765
______________________32 ____________________________________\hfill London the 9.th of Juillet ___________________________________________________\hfill 1765. _____Monsieur! _____Sonder Zweifel werden sie alle glau=ben, daß wir längst über die See ge= schwommen sind: – Allein es war noch nicht möglich, wir sind nun einmahl in London, und wenn wir einmahl weg sind, so kommen wir die nächsten 3. täge nicht mehr nach Engelland: obwohl man nichts als das Nasen abbeissen verreden solle. – – ich kann folglich nichts über die Knie abbrechen; und es ist mir leÿd ge=nug, daß ich so lange mit meinen Sachen aufgehalten werde, die ich weg schicken will. Entzwischen haben wir unter dieser Zeit, wichtige Dinge gesehen. – – Einen grossen Auflauf des Volkes, wenn es gleich zur Aufruhr geneigt ist, sieht man nicht alle Jahre. Die Seÿden-Weber Gesellen überreichten schon ein paar mahl diesen Winter durch dem König eine Bittschrift. Sie stellten vor, daß einige 1000 unter ihnen wenig, oder gar keine Arbeit hätten, weil so viele Seÿdenwah=ren von Franckreich nach Engelland ge=schwärzet würden; und Sie verlangten über dieß, daß die französischen Seÿden=wahren |: auf die ohnehin ein grosse Mauth ist :| gänzlich sollten verbothen werden. Sie kahmen, bevor das Parlament aus=einander gienge, noch einmahl und über=reichten eine Bittschrift. Sie zohen aber denselben Tag noch, gleich nach der Über=reichung, in 3. theilen vertheilet hin und her durch die Statt, und ich sahe durch die Strasse, wo ich wohne, über 4000 Men=schen beÿ meiner Wohnung vorbeÿ ziehen. Sie hatten am Anfange, in der Mitte und gegen dem Ende, folglich 3. Schwarze Fahnen, oder vielmehr schwarze fetzen, an einer langen Stangen. Alle diese Leute hatten griene Schürtze um, und zogen die meisten so liederlich da=her, wie sie beÿ ihrer Arbeit sitzen. So schwermten sie in der Statt herum; und den zweÿten tag versammelten sich über 15000. Menschen in Charing Cross, White Hall, und ParlamentParliament Street und alle übrige Strassen die nahe am Parlament-Hauß waren, und wo die Lords in das ParlamentsHaus durch=passiren musten. Sie rufften mit grossem Lermen iedem Lord zu, und den Duc de Bedford wollten sie aus den waagen reissen, weil sie ihm Schuld gaben, daß er die Einführung der französischen Wahren unterstützte und Ursach wäre, daß das Parlament auf ihre Bittschrif=ten keine Achtung hätte, und gut fran= zösisch wäre. _____Da sie nun nicht gleich von dem Par=lament eine Antwort erhielten, kammen sie nach Bloombury Square und wollte des Duc Bedfords Pallast plünderen und niederreissen. Sie riessen auch würck=lich die auf dem Platz stehende Steiner=ne Saulen, an denen die Laternen hang=en aus dem Grund, und eine andere truppe schwermete in SpitalfildsSpitalfields und anderen Gegenden der Statt herum, und schmiessen einige Fenster ein, theils beÿ einigen ihrer Meister Webern, theils beÿ einigen Seidenwahr Händlern, die sie glaubten, daß sie mit französischen Wahren handelten. Es ward keine Zeit verlohren, die fuß und Pferd quar=denGarden des König rückten an. In dem Vorhof und Garten des dem Duc of Bedford gehörigen Pallastes rückten __________________________________________________einige einige 100. Infanteristen ein; und die=se blieben beÿ 4. Wochen da; da sie täglich durch andere abgelöset wurden. Aussen um den Pallast herum, auf dem Platz, in dem SpitalfildsSpitalfields und anderen Strassen waren Cavallerie, und ein Trupp derselben patrolliertepatrullierte tag und Nacht durch die Statt. Es kam der abgeordnete des Königs das Edict ab=zulosenabzulesen. Allein er wurde von dem Volk daran gehindert, denn so bald das Edict abgelesen ist, so muß alles auseinander lauffen, weil derienige, der sich darüber verweilet und nicht nach Hause gehet ipso facto des Todes Schuldig ist, und gleich aufgehenckt wird. Der mob oder Pövel wollte es also nicht ab=lesen lassen. Beÿ dieser Gelegenheit, wurden viele Menschen von Pferden ge=tretten, und elendig niedergeritten, ge= stossen und erbärmlich geschlagen. Der Mob wurf nach der Cavallerie mit Stei=nen und es war ein abscheulicher lermen. Endlich wagte sich Lord Halifax dem Volk propositionen zu machen und man brach=te es endlich mit versprechen aus einander, da sie beÿm Abzug droheten, den Tag darauf hefftiger zu kommen. Den=selben Abend aber noch und in der Nacht rückten 4. Regimenter in die Statt, und nicht nur in allen Zeittung=en, sondern an allen Ecken aller Plätz und Strassen war publicirt und Patenten angeschlagen, daß wenn 12. Personen beÿ=sammen gesehen werden, alle zwölfe in arrest genommen und gehenckt werden. Dessgleichen wenn man einen mit einem Fahnen und einer TrummelTrommel sieht, so ist er des Todes schuldig. Alle Constab=les der Statt, welches Burger und so viel als beÿ uns die Viertlmeister sind wa= ren mit ihren Leuten immer auf den Strassen, und die Soldaten desgleichen. Dieses verhinderte nun eine mehrere Zusammrottung. mit dieser Vorsorge wurde auch über 4. Wochen continuiert. Entzwischen wurde die Exportation des Korns verbotten, hingegen die allge=meine Einfuhr desselben erlaubt, da=durch der Preis des ProdesBrodes fiele. Denn darüber war auch eine billige Klage. Es gehet halt hier, wie in Teutschland; die Unterthanen müssen wacker bezahlen; sie sehen demnach ihr Sach so hoch zu ver=kauffen als es möglich ist; zahlen es Frem=de besser, so gehet es aus dem Lande, und will es der Landesmann haben, so muß er es eben so theuer bezahlen, sonst bekommt er es nicht; über das geben sich die Herren Mühe, daß alle Ein=fuhr verbotten wird, damit der Werth der LandwarenLandeswaren fein hoch bleibt und nicht fällt, und sie folglich von ihren güttern grosse Renten ziehen. Wir haben das Exempel zwischen Oesterreich und Un=garn. Wie glücklich wäre Oesterreich und auch wir und alle Nachtbauren, wenn Ungarn die freÿe Ausfuhr hätte. hin=gegen wie viel geringer würden die Ein=künfte der Oesterr: Cavalliers und Klö=ster seÿn, wenn der saure Oesterr: Wein recht wohlfeil würde &c. das ist hier gut, daß das Volk und soviel 1000 ehrliche Leute, die das Brod in dem Schweis ih=res Angesichts gewinnen, und die eigentlich den Staat ausmachen und den ganzen Zusammenhang der burgerlichen Welt er=halten, nicht gezwungen sind wegen etlich 100. = = = die ihre Lebenszeit in Über=fluss = = = = zu bringen, zu schmachten, und zu leiden, sonderen sie haben die Freÿheit vorstellungen zu machen, und haben den Weeg die Wahrheit zu ent=_________________________________________decken decken, und die Enderung aut bonis aut malis zu erzwingen. Dieß war ei=nes! – – – _____Das zweÿte sind verschiedene Feuers=Brunsten, mit denen Engelland über= haupts dieses Jahr sehr beunruhiget wurde. Eine der grösten ware die in London den 1.t Junij abends zwischen 6 und 7. Uhr aus=brach. das Feuer entstund in dem Werk=haus wo die pechichte Materie zu dem Schifbaue, die Schiff zu verkittenverkütten gekocht wurde. dieß Werckhaus ist mehr eine Schiffshütte nahe an den Schiffen auf dem Strand. Ein kessel war eben auf dem Feuer voll solcher pechichten ko=chenden Materie, da einige Bärentreiber in der nächsten Strasse die Künste ihrer Bären sehen liessen. Unter anderen vor=witzigen waren dieienigen nicht die letzt, so die Aufsicht über diese unglücksee=lige Kochereÿ hatten. Sie lieffen alle weg: entzwischen gieng diese brennende Ma=terie über, machte ein höllisches Feuer, er=grief alle brennende Materie, das hölzer=ne Haus selbst, verzehrte solches samt 2. nahe dabeÿ befindlichen Schiffen, und da zum unglücke just Ebbe war, folg=lich das Wasser entfernet, und der Wind gegen die Statt bließ, so konnten die Schiffe, die auf trocknen Sand stunden nicht erhalten werden, und die Flammen, so der Wind nach den Häusern bließ er=grieffen die Gebäude mit solcher Häff=tigkeit, daß bis den anderen Morgen über 140. Häuser in der Asche lagen. Der Schaden überhaupts soll sich über 150,000 Pfund Sterl: belauffen. Man hat also gleich eine general Collection für die Verunglückten, deren mobilia nicht insurirtassekurirt waren angestellt, und in sehr kurzer Zeit so vieles geld gesammelt, daß alle diese Leute Schadlos sind. Sie müssen wissen, daß hier insurance=of=fices sind, wo alles was man hat ga=rantiert wird, dafür zahlt man à proportioneproportion seiner mobilien eine Kleinig=keit iährlich; und betrift einen der sein Sach hat insurieren lassen, das Unglück, daß seine Sachen verbrennen; so wird al=les beÿ dem letzten Pfenning von der insurance office mit baaren Geld er=setzet: Es sind demnach alle Häuser nicht nur in und um London, sonderen durch das ganze Land insuriert. Diese grosse Brunst war gegen 2. Stund von meinem Quartier: nämlich über der Themse, die Strasse heist Rotherhide &c. viele Leute erfuhren es erst durch die Zeitungen, und wer sie nicht lieset, hat es 5, 6 und mehr Täge hinnach erst erfahren; Man kann daraus schlüssen, wie gross London ist. – – Die 2.te Feuersbrunst war zimlich näher. Sie entstand um 10. Uhr Abends: Sie war von uns etwa so weit, als in Salzburg von Mülln bis den Herren Theatinern. Wir Soupierten eben beÿ dem sächsischen Herrn Gesandten grafen v Brühl, da das Feuer am hef=tigsten ware, und ein Bedienter davon Nachricht gab. Obwohl nur 6. Häuser und ein paar Ställe abbrannten, so war das Feuer doch ganz ausserordentlich furcht=sam, und das gröste Glück, daß der Wind gegen der Themse blies, und der Platz selbst an der Themse nachenahe und Wasser genug vorhanden war. Einer unserer Bekannten und Freunde M:r Birch verlohr 3. schöne Pferde 2. Kutschen, die meiste Equippage und vielle Fourrage so im Stalle ware. _____Übrigens ist hier eine sehr angenehme Nachricht angelanget; nämlich daß den _____________________________________23.t octob: 23.t Octob 1764. die Trouppen des Königs und der Indianischen Compagnie eine complete Victorie über den König von Indosten und seinenseine Vezier |: die aus 50000. Mann bestand :| erhalten ha=ben. Eine Victorie, um welche ein Salzburger keine Pfeiffe Tobac giebt, und nur den englischen Seefahrern und Kauf=leuten angenehm ist. – – – Nun etwas anders. Ich bitte gleich nach Erhal=tung dieses Schreibens 6. heilige Messen lesen zu lassen; 2. beÿ dem heiligen Kin=del zu Loreto, 2. in der Pfarr, und 2. zu Maria Plain. diese sollen uns den Weeg über das Meer bahnen. dann bitte sie nach den Öfen in unserm Quartier zu sehen; indem sie wissen, daß der mittere Camin sehr gebraucht, und überdieß sind die öffen in allen 3. Zimmern voller Spalten. Jetzt ist es noch Zeit solche in guten Stand zu setzen, oder was nothwendig ist, gar auszumu=stern: obwohl ich die neuen öfen gar nicht liebe, sonderlich, da wir ietzt die Öfen gar nicht gewohnet sind. die Schlös=ser an allen 3. Zimmer Thüren bitte auch visitiren zu lassen; indem sonder=lich das Schloss an der Thür des Kinds=zimmer zimmlich schlecht seÿn wird; und zu der Thür des vordersten Zimmer haben wir vielle Jahre keinen Schlüssel. Unsere liebe Frau Hagenauerin lies uns einmahl durch Herren Johannes melden, Sie hoffe, wir werden doch nicht ewig in London verbleiben. Aus meinem Ansuchen siehet dieselbe daß ich mich in Salzburg zu einem waren Ofen zu set=zen gedencke. Ich weis wohl, daß Sie uns alle bald gesund zu sehen wünschen; ich wün=sche es ebenfals von ganzen Herzen: Al=lein vor der Zeit, kann nichts geschechen; und da ich einmahl auf der Strasse bin und meine Kinder noch jung, und wir vielleicht unser Lebenszeit nicht mehr in die=se Gegenden kommen, so müsste man uns gleich beÿ der Einfart in die Statt Salz=burg nach dem St: Sebastians spithal führen, wenn wir gute Plätze, die uns vorträglich sind beÿseits liessen, und daß geld mal à propos verreißen wollten, ohne höchste Noth, und aus Übereÿlung, zu unsern grössten Schaden. ja eines theils wäre es gar nicht möglich. Ich bitte, man wolle mich nur machen, und dasie=nige, was ich mit Gott angefangen, auch mit dessen Hilfe, ausmachen lassen. Ich hoffe es wird alles gut werden, wenn der Häftl daran kommen. Gott ver=lässt keinen ehrlichen Teutschen. – – ich glaub=te, da ich von Paris weg ware, daß ich meinen Freund Mr: Grim gebethen habe eine Quantität von den Portraits Kupfer=stichen an sie nach Salzburg zu schicken: da ich nun niemals etwas davon hörte, so informierte ich mich letztlich beÿ ihm, und er antwortete mir, daß ich niemals etwas davon gemeldet hätte. Ich schrieb ihm also, daß er ihnen eine grosse Quan=tität schicken möchte, damit sie es nun wissen, wenn es etwas kommen sollte was es ist. Sie werden wohl unserm Gnädigsten Herren eines presentieren &c. Diese Kupfer sind gemahlt worden, da der Bub 7. Jahr und das Mädl 11. Jahr alt ware, gleich beÿ unserer Ankunft in Paris. Mr: Grim ist der Anstif=ter davon, und in Paris wird das Stück für 24. Sols, so mehr dann 30. Xr: be=trägt, bezahlt. Ich glaub man wird in Teutschland mehr nicht, dann 15 Xr: für das Stück bekommen. Sie mögen, wenn sie es bekommen, 30. Stück an Herrn Lotter Buchdrücker und Musickhändler in Augsburg, und 30. Stück an die Frau oder Herrn Hafner Lautenisten in Nüren=berg, mit Gelegenheit, absenden und ihnen _______________________________________________melden, melden, daß sie das Stück à 15 Xr: ver=kauffen, und ihnen ein Recepisse einsen=den sollen. NB: Wenn Herr Wallner von Berchtesgaden nach Franckfort gehet, bitte ihm zu melden, daß er sich beÿ Herrn Otto Organisten an der Baarfüsser Kirchen um Geld melden solle. Oder Herr Po=lis kann auch das Geld durch einen ge= wissen Mr: Pfeil SchrachmeisterSprachmeister in Franck=furt einziehen. Herr Otto ist ein ehr=licher, aber schon ein alter, und kräncklicher Mann. Man muß also die Gelder einziehen, wo man kann, ich bitte sehr darum. Meine Frau und Kinder samt mir empfehlen uns von Herzen und wün=schen allzeit gute Gesundheit und alles wohlergehen und bin der alte NB: Wer schöne Manns und Frauen Uhr=ketten, Schuchschnallen p |: von Stahl und Tobn= back :| PutscherenPuzscheren &c: kauffen will, soll damit warten bis ich ankomme, und anders Zeugs. P:S: Bitte mir, wenns beliebt, zu ant=worten, denn ich vermuthe sie sollen mir ein und anders zu schreiben haben. den Brief adressieren sie nach Calais auf folgende Art, so werde ihm durch diesen meinen Freund richtig bekommen, ich mag lincks oder Rechts seÿn. À Monsieur Monsieur Mozart chez Mr Carpentier Procureur du Roy et de l'Admirauté ______à __________________________Calais _______________________en France.