Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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2009-08-20 CC BY-NC-SA 4.0 https://dme.mozarteum.at/DME/briefe/letter.php?mid=51 A-Sm A-Sm: Internationale Stiftung Mozarteum, Bibliotheca Mozartiana. Salzburg (AUT) last file update: Wed May 11 14:48:22 2022
GEORG NIKOLAUS NISSEN AN CARL THOMAS MOZART IN MAILAND WIEN, 24. JANUAR 1810
No38 __________________________________________________________________\hfill Wien 24 Jan. 1810. _____Mein lieber Carl, nachdem Ihre gute Mutter und ich einen kleinen großen Schrekken gehabt hatten zu erfahren, daß der Lauf des Postwagens zwischen hier und Mailand noch nicht in Ordnung ist, hatten wir das Glük zu sehen, daß der gefällige Magazineur des Herrn v. Bridi die Musicalien an Sie übernehmen und schon gestern durch den Vetturin Jacob Christoforetti an dh. Redaelli absenden konnte. J. C.  wird höchstens 30. Tage, vielleicht, weil er zwey Passagier hat, nur 24. Tage, unterweges seyn, und wir dürfen uns also dem Vergnügen überlassen zu hoffen, daß Sie die Sachen noch eben zu rechter Zeit erhalten. Zanken Sie freundschaftlich mit dem obligeanten H. v. Bridi, daß er uns nicht von seiner Abreise benachrichtigt hatte; sezen Sie aber hinzu, daß wir es wohl begreifen, daß wichtigere Geschäfte kleineren im Wege sind und sie gar leicht vergessen machen. Sie werden wissen, daß zwischen der auf die Ouvertür folgenden Intro-duction von Winter und dem Anfangsduett der Oper selbst ein Recitativ in einer Tonart, welche das Ohr mit dem Uebergange zwischen den Tonarten der Introduction und des Duetts versöhnt oder keinen Abstand merken läßt, eingelegt werden muß, welches leicht zu componiren ist. Wenn Sie schon einen Hut für Ihre Mutter gekauft hätten, so bitten Sie H. v. Bridi ihn mitzunehmen: ich rechne, daß seine Zurükkunft ungefähr mit unsrer Abreise gleichzeitig seyn wird; und auf allen Fall kann uns von hieraus leichter nachgeschikt werden. Es ist nicht nöthig, daß es just ein Hut sey, den Sie Ihrer Mutter schikken. Aber ich trage Ihnen überhaupt auf, irgend etwas, was diese gute Frau freuen kann, sey es eine oder mehrere Sachen, auf diesem Wege ihr zukommen zu lassen. Was sie freuen kann, sind natürlich Sachen die zur Kleidung gehören oder leichte nippes; aber NB. NB. nur solche, die in Mailand oder Italien zu hause sind und nicht so leicht und nicht so gut oder wohlfeil anderswo angetroffen werden. Ich verlasse mich auf Ihren Geschmack, Ihre Sorgfalt und kindliche Liebe. Die Kiste, die wir Ihnen sandten, kostete im Transport 5. ducaten in Gold, die Mauth und dgl. über 8. fl.; die izige Copiatur 25 fl. weniger einige Kreuzer. Diese 3. Posten machen freylich ein nicht unbeträchtliches Sümmchen in schweren Zeiten. Es war aber doch wider mein Wissen, daß Ihre Mutter die Erstattung von Ihnen verlangte, und, wenn irgend eine Auslage bey den vor=geschlagenen Geschenken an Ihre Mutter Sie geniren sollte, so brauchen es keine Geschenke zu seyn, und diese Zeile beweise dem Herrn von Bridi, daß ich ihn um die Auslage bitte und sie ihm wieder erstatten werde. Nur freylich müßten Sie sie nicht beträchtlich einrichten. Mit der Absendung des Fortepiano an Sie sieht es izt noch betrübt aus. Andreas Stein sagt uns, der Transport würde 20. ducaten in Gold kosten. Das können wir nicht daran wenden. Indeß meint Stein auch, daß diese Theurung nicht anhalten kann. Sehen Sie zu, ob Sie von dort aus Anstalten möglich machen können, das Instrument kommen zu lassen. Vielleicht können Sie mit dh. v. Bridi darüber Abrede nehmen, dem wir es zustellen können.___Bey dieser Gelegenheit hat Ihre Mutter von Stein (welcher wohnt in der Vorstadt Wiens die Ungargasse, und zwar N. 289. in der Bockgasse) das Versprechen erhalten, Ihnen 8. proCent in Commissions gebühren von dem Preise jedes Instruments zuzugestehen, das Sie von ihm verschreiben. Bey der izigen Theurung kostet ein sechs-oktaviges Fortepiano mit Verschiebung der Claviatur und mit einer von Stein erfundenen Stimmung, die den Ton besser als je hält, 1000. fl. in Papier, wenn es von Mahagony, ohne Bronzirung, ist; von Nuß-baum 800. fl.; von Kirschbaum etwas weniger. Bey Abänderung des Courses können die Preise höher oder niedriger werden. ______________________________________________________________________Ich weiß nicht, ob der alte und verdiente Ruhm Steins nach Italien bisher gedrungen war; aber in sehr kurzem wird seine Arbeit in Mailand gewiß ungemein geschäzt werden. Es ist izt schon unterweges, oder wird unverzüglich abge-sandt ein Fortepiano von ihm für S.e Kais. Hoheit den Vicekönig. Machen Sie, daß Sie es bald sehen: alle die es hier sahen, bewunderten es von innen und von aussen. Sie wissen, daß das Innere dem Aeussern und umgekehrt das andere dem einen selten entspricht: hier ist jedes in seiner Art vollkommen. Da es Ihnen interessant seyn kann, davon Bescheid zu wissen, so stehle ich mir Zeit herzusezen, was ich alles davon erfahren habe. Gewöhnlich verfertigen bey Stein zwey Gesellen in vier Wochen zwey Fortepianokasten, also in acht Wochen vier; an diesem einen Kasten haben zwey Gesellen in acht Wochen ununter-brochen gearbeitet. Das dazu verwandte Mahagonyholz ist 34 Centner von einer solchen Seltenheit und Güte, daß der Centner 900. fl. kostete. Es ist so ungemein schön und rein, hat solche un-vergleichliche Zeichnung in seinen Federn und Wolken, daß kein Maler sie schöner zeichnen könnte. Weil das Instrument eine solche hohe Bestimmung hatte, hat Stein sich unendliche Mühe gemacht, ein untadel-haftes Holz zu finden, fand denn auch von der Art nur bey einem Einzigen, und sagt nun, er wisse für 10,000. fl. kein ähnliches hier mehr zu finden. Die Bronzirung (die man auch zu 100., zu 200 fl. u. s. w. haben kann) hat bey diesem F. P. 2000. fl. gekostet und ist nicht minder sehr schön, nach der An-gabe eines Herrn Lefevre gemacht, der Inspector der Gallerie des Herzogs Albert von Sachsen hier ist. Der bekannte Mälzl hat es bey Stein bestellt, und dieser erfuhr wahrscheinlich nur durch einen Zufall die Bestimmung._____Wenn der Transport, der die Instrumente vertheuert, nicht wäre, so denkt Ihre Mutter, daß Sie wohl häufige Verschrei-bungen zu machen haben könnten. Sprechen Sie aber mit Niemanden, das heißt mit gar Niemanden, wer es immer sey, von der Provision, die übrigens ganz gewöhnlich ist, und die Wowi auch hatte; denn Jedermann, wer es auch immer sey, könnte Ihnen den Vorsprung abgewinnen. – Wissen Sie, daß die große Clavierspielerinn, Tochter des Baron v. Spielmann, nach Mailand heirathet? \newpage Von Stein müssn Sie immer seine gewöhnliche Anweisung, wie ausgepakt werden soll, verlangen. Der Ueberkasten und die Emballirung kosten izt über die obigen Preise 50. fl. ungefähr. Ihre Mutter und ich küssen und grüßen Sie herzlich. _____________________________________________________________\hfill Nißen