Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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JOHANN ANTON ANDRÉ AN AMBROSIUS KÜHNEL IN LEIPZIG OFFENBACH, 19. JANUAR 1813
Herrn A. Kühnel _______à_______________________________________________________________________________\hfill Offenbach a/m d 19' Januar 1813. _______Leipzig. Lieber alter Freund! Ich fange mit der Beantwortung des Schlusses Ihres Briefs vom 4' d. M. nämlich mit meiner Meynung über Ihre Magenkrämpfe an. Diese Krankheit entsteht einzig und allein daher, daß man dem Magen mehr zumuthet, als er vertragen kann. Jemand der so wie Sie, lieber Freund, fast den ganzen Tag über sitzt, wenig in Gottes freÿe Luft komt, seine Mahlzeiten mehr als Stöhrung an seiner Arbeit, denn als wahre Labung für Körper und Geist betrachtet, der mehr durch seine Magensäure, als durch einen gesunden Appetit zum Essen geneigt wird, ich sage, daß so Jemand unmöglich gesund werden, oder wenn er gesund war, gesund bleiben kann. Mitunter wird denn auch mancher Kumer, durch unangenehme Handels Verhältnisse, durch Theilnahme an kranke Glieder der Familie pp miteingeschluckt, und somit der wohlthätigen Absicht der Natur: uns durch unsre frugale Mahlzeiten aufzuheitern, und neu zur Arbeit zu stärken, schnurgrad entgegen gehandelt. Wie will man auf dieses Weise gesund seÿn? – Ich sage Ihnen hier freÿlich alltägliche Dinge, allein wenn Sie alltäglich drauf geachtet hätten, so hätte Ihr Magenkrampf nicht so die Oberhand erhalten. – Da Sie nun, theils wegen angeborner Thätigkeit, theils wegen mancherleÿ Arbeiten, die Sie wohl nur selbst verrichten können, und endlich wegen unserer Neigung zu einer sitzenden als zu einer andern Lebensart, |: freÿlich eine Folge von schon zu sehr eingerissener Kränklichkeit :| Ihre jetzige Lebensweise nicht ganz ändern können, so rathe ich Ihnen, beÿ allen Ihren Mahlzeiten so wenig als möglich, aber dabeÿ leicht verdauliche und nahrhafte Speisen, um wenn Sie Appetit dazu haben, öfters am Tage eine Semmel und etwas alten reinen Wein, wenn auch nur einige Esslöffel voll, zu geniesen; ferner, sich es zum unverbrüchlichen Grundsatz zu machen: sich beÿ Tisch und überhaupt beÿ jeder Mahlzeit, André Joh Anton_____________________________________________________________________________________________________________________R: S. durch keine unangenehme Nachricht, durch keinen unglücklichen Vorfall, stören zu lassen, eben dieß auch in denen der Ruhe bestimten Stunden der Nacht zu beobachten, in dem Sie ein für allemal von dem Grundsatz ausgehen müssen: das geschehene Dinge nicht ungeschehen zu machen sind, mithin durch allen Kumer, so gerecht er auch seÿn mag, nicht verbessert werden. Wenn Sie diese Lebensweise beobachten, ohne gerade ängstlich in dieser Beobachtung zu seÿn, und wenn Sie so viel Philosophie über sich herrschen lassen können, so werden Sie eher gesunder, als kränker werden, ja vielleicht nach und nach ganz genesen. Arzneÿen brauchen Sie keine, in dem diese so vorsichtig |: in Hinsicht so ganzen dernach einzurichten Lebensweise :| zu gebrauchen sind, daß sie, einige ausgenomen und die plözlich anzuwenden sind, öfters mehr schaden als gut machen. – Sie lachen mich vielleicht über meinen Eifer aus, allein ich freu mich wenn Sie recht von Herzen lachen, wenn Sie sich so recht, was man sagt, auslachen können, in dem dieß eine heilsame Erschütterung ist, die nicht oft genug an einen Geschäftsmann komen kann. Lachen Sie also von Herzen, allein befolgen Sie in Gottesnamen m. gutgemeÿnten Rath. Und nun. Unsrer Übereinkunft nach wollten Sie zwar nur alle 2 Jahre das Lager specificirt aufnehmen, allein demohnerachtet alle Jahre abrechnen, in dem die Lager Aufnahme ein allenfalsigen kleinen Irrthum in der Abrechnung berichtigen sollte. Machen Sie dieß wie es Ihre Geschäfte am besten zu lassen, nur bedenken Sie wie es Ihnen zu Muth ist, wenn Sie nur alle 2 Jahre eine Abrechnung von Ihrem Korrespondenten erhalten. Kollmann’s Werk wird in 6—8 Wochen erst fertig werden, indem ich mehrere andre Sachen, die eben nicht ins Musikfach einschlagen, aber sich gegenwärtig, da die Musik nichts abwirft, besser bezahlen, drucken mußte. Beÿde erwähnte Bassarien besitze ich in der Original Handschrift von Mozart, nebst noch mehreren einzelnen Arien, Duetten pp die ich aber, weil ich die fatalen deutschen Übersetzungen scheue, noch nicht herausgegeben habe. Kennen Sie in L. jemand der gut übersetzt, und wollen Sie diese Sachen auch herausgeben, so mache ich Ihnen den Vorschlag: mir die Übersetzung einzusenden, und dann von mir eine Anzahl Exemplare mit Ihrer Adreße versehen um den Fabrikpreis abzubuchen. Oder steht Ihnen das Reciprocum besser an? – H. v. Klukowsky hat Ihnen wahrscheinlich in der Art von m. billige Bedingungen gesprochen, wie er mich mit der Ihrigen und denen anderer Musikverleger bekannt gemacht hat. Meine Verhältnisse mit Monfreulle seel: waren so, daß ich dH. v. K. lieber das alte Messe Lager mit 40% Rt in Commission lassen wollte, als vielleicht gar keinen Nutzen daraus zu ziehen. Neu bestellte Werk erhält H. v. K. für seine eigene Rechnung mit 50%, mithin ich das alte Comissionslager aussterben lasse. Dieß ist auf m. Wort wahr! – Von Lehnhold habe ich nichts vernomen, auch bin ich eben nicht begierig auf Nachrichten aus Moscau, indem ich mein dasiges Unglück imer noch zu früh erfahre, und ich mir vorher keinen Kumer darüber machen will. Ich hoffe daß mich m. dasigen Correspondenten so redlich behandeln werden, wie ich sie bisher behandelt habe, und erwarte daß sie kein Vortheil zu meinem Nachtheil aus diesem Unglück ziehen werden. Ich hoffe Sie in nächster Messe zu besuchen, wo wir dann über Manches ausführlicher sprechen können, dann auch über H. F. Hoffmeisters LeihAnstalt pp Noch beÿkomende Noten bringt Ihnen Fuhrmann Georg Beck von Attorf, in ganzer Fracht à 20 GG: ein Päckchen bez. A. K. N.r 51 14 Zent: wofür Sie mir f 138.27 noch Richtig befinden in Commission zu reditiren belieben. \newpage Sie haben mir Mozart Davide Penitente aber nur die erste Abtheilung gesandt. Wo bleibt denn die Fortsetzung? Ich besitze das Manuscript ganz. Diese Partitur geht zu den Arabern in den anderen Welttheil. Leben Sie wohl, und glauben Sie mich mit aufrichtiger Freundschaft _____________________________________________________________________\hfill der Ihrige ________________________________________________________________________________\hfill Ant: André 1813_____________André d. 19. Jan._____Offenbach – 23. —