Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart
Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family
Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
Salzburg
Austria
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Kelnreiter
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Wissenschaftliche Abteilung. Digitale Mozart-Edition
Ulrich Leisinger
Digitale Mozart-Edition
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2009-08-20
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A-Sm
A-Sm: Internationale Stiftung Mozarteum, Bibliotheca Mozartiana. Salzburg (AUT)
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PAUL IMMANUEL LÖDIG, DER GRAUE GAST
LÖRRACH, MAI 1843
_____Der graue Gast.
Hoch auf Salzburgs Berges=Breite
Gab’s einmal, ihr lieben Leute,
Einen Spielmann, wohlbekannt,
Mozart von dem Volk genannt.
Dieser sang nun brav und bieder
Seine Weise, seine Lieder
Recht aus Seele, Herz und Sinn
Durch die Länder her und hin.
Und so mußt’ es denn geschehen,
Fürsten wollten Mozart sehen,
Wollten hören seinen Sang,
Seiner Töne Himelsklang.
Ward beschieden hin vor Thronen,
Sang beherzt vor Millionen;
Sang mit Tausend um den Preis,
Und erhielt den Lorbeer=Reis.
Sang mit Welschen, Britten, Franken,
Aber Alle, Alle sanken
Hin vor dem, was er erschafft;
Denn er sang mit deutscher Kraft
Und so ward er in dem Munde
Jedes Volkes in der Stunde,
Aller Länder hochberühmt,
Wie es Künstler=Fürsten ziemt.
Aber er, der freie Meister,
Haßte Weihrauch kleiner Geister,
Haßte eiteln Glanz und Ruhm,
Liebte reines Künstlerthum.
INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881
Sang am liebsten in der Mitte
Froher Freunde, in der Hütte
Jedes Biedern, den er fand,
Wenn er ihn nur recht verstand.
Ach! und fand er eine Seele
Mit dem Geist der Filomele
Stimend ein in sein Gefühl,
Ward zum Serafklang sein Spiel.
Und so sang er manche Jahre!
Doch da naht ihm früh die Bahre!
Hört, wie wunderbar dies kam,
Als der Tod ihn mit sich nahm.
Tief versenkt in seinen Tönen,
In dem Zauberreich des Schönen
Sitzet einst der edle Mann,
Horch! da klopft es plötzlich an.
Klopft in drei gemeß’nen Schlägen,
Unt es tritt auf luft’gen Wegen
Bei der Abendlampe Schein
Still ein grauer Mann herein.
Dann aus kalter, starrer Mienen
Spricht’s zu Mozart: Sollst mir dienen:
Wünsch ein Requiem von Dir;
Setz’ in Domino es mir!”
Da indeß der Künstler wählet,
Sieh’ der graue Gast schon zählet
Schnell an hundert Goldstück’ auf,
Und entgleitet still darauf.
Still in sich gekehrt und sinnend,
Düstere Gedanken spinnend,
Geht er einsam, ernst und stumm
Tag und Nacht mit sich herum.
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Schwermuth senkt sich auf ihn nieder,
Wehmuth hallen seine Lieder!
Grabgesang wird jeder Ton,
Krank der edle Musensohn.
Krank an schwerem, tiefem Sehnen
Zieht es ihn mit heißen Thränen,
Zieht’s ihn, ach! mit Herz und Sinn
Nach der Heimath jenseits hin.
Kann nicht sagen, was er fühlet,
Was denkt, und sinnt, und spielet!
Will nur fort, und immer fort
Nach dem unbekannten Ort.
Und so greift er in die Leier
Mit dem letzten Künstlerfeuer,
Stürmt durch der Akkorde Graus
Seines Busens Wehmuth aus.
Aber sieh, was muß er schauen!
Jeder Ton, er hat mit Grauen,
Ehe er’s noch selber meint,
Sich zum Requiem vereint.
Da erfaßt es ihn mit Beben!
Kalt fühlt er die Kräfte schweben;
Während er darüber sann,
Horch!, da klopft es plötzlich an!
Klopft in drei gemeß’nen Schlägen,
Und es tritt auf luft’gen Wegen
Bei der Abendlampe Schein
Still der graue Mann herein.
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„Ha! hier ist es !” ruft erbleichend
Mozart. Jener nimt’s entweichend,
Und das nächste Morgenroth
Sieht den edeln Meister todt.
Lörrach, im Mai 1843_______P. J. Lödig.