Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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NATALIE VON GRÜNHOF AN UNBEKANNT BERLIN, NACH SEPTEMBER 1883
___________\hfill  Berlin. N. W. ______________\hfill  Alsenstr: 12. Geehrter Herr! Auf Ihren Brief (der mir gestern zukam, ich bin schon seit Mona-ten hier bei meiner Tochter Keudell,) beeile ich mich zu er-wiedern, daß es mich sehr freut, daß Sie sich noch meiner, u. des reizenden Bildes vom lieben Mozart erinern! Gern bin ich zu jeder Auskunft bereit, – verweise aber zugleich, auf einen sehr interess. Artikel von Rudolf Genée, der vor einig. Jahren „vom Fels zum Meer” (od. wie's hieß?) erschien; darin ist meine Schnalle abge-bildet, u. Viel besprochen: Ich verweilte Mozart zu Liebe einen ganzen Monath im Mai 57. – mit meinen Eltern, u. gingen wir tägl. sämtl. Opern von sein. Vater durch, was den guten Mozart gerade-zu seelig machte: (er lebte als östr. Rechnungsbeamte stets in Mailand, u. hörte natürl. nie die Sachen seines Vater's gut interpretiren. Er schenkte mir erst eine Vocalice (Manuscript) für die Schwägerin Lange componirt u. beim Schei-den (unter Thränen) gab er mir die Schnalle, hinzu-fügend, „er habe dieselbe 60 Jahr' lang bei sich gehabt; – (er war 13 Jahr' alt, als sein Vater starb, – schlief stets mit Demselben im Zimer, kante jed. tempo, wie's sein Vater gemeint, – spielte selbst gut Klavier, – gab hierin Unterricht, da's ihm knapp ging,) – er fürchte, nach seinem Tode käme dies seltene Ver-mächtniß in profane Hände. (in Salzburg, wo mein Mozart beim 100 jähr. Mozart Gedenk-fest präsidirte bot ein Engländer ihm für meine Schnalle 1000 Pfund, – er gab sie aber nicht: als der Kaiser einst in Mailand war, ließ er meinen Mozart kom-men, – u. bot ihm Verdopplung des Gehalt's an; was M. aber refüsirte! er fühlte, nicht lang mehr zu leben, war Magenleidend!) Ich hatte um nichts gebeten, – er gab mir Alles von selbst! Als ich kurz darauf in Verona sang, u. Mozart's Schnalle zeigte, – wunderte sich Alles, daß M. sich bei Lebs-zeit, von Derselb. getrent habe: – ich schrieb ihm dies, (natürl. ohne z. bitten, mir ein Certificat auszu-stellen) was er aber von selbst that: ich copirte es genau, u. füg's bei: das Daguerotip von Carl Mozart bekam ich auch gesandt, 2.) u. ließ es photografieren. Ich sang 57. (als ich nach München kam u. A. die Donna Anna, was ihn unendlich freute, u. blieb bis zum Tod (der 58 er-folgte,) – in Correspondenz mit meinem Mozart! mein letzt. Brief kam bei ihm an – als er die letzte Ölung erhalten, – nachher ließ er sich Denselben von einem gemeinsamen Bekanten Herr v. Mandach vorlesen (mehrmals,) u. trug ihm auf, mir zu danken, daß ich die letzten Stunden eines Sterbenden erheitert hätte! – Als Mandach nach einig. Stund. zu Mozart zu-rückkehrte, lag mein Brief auf dem Todenbett! Dies Alles ward s. Z. viel in den „Neuesten Hamburger Nachrichten besprochen! Mein Mozart (älteste Sohn) hätte geradeso viel Ta-lent, als wie sein Bruder Joseph gehabt zum compo-niren, allein er (wie er sag-te,) scheute sich, den Namen seines genialen Vater's zu verunglimpfen! – Das alte liebe Mänchen, war das Urbild der Bescheidenheit u. En-gelsgüte! Alles liebte ihn in Mailand, u. hatten seine Göner (Banquier's) Milius u. Schmutziger's (durch Die ich Mozart auch kenen lernte,) ihn stets im Somer auf ihre Güter an Como-See bei sich, u. schenk-ten ihm sogar 1 Wägel-chen: – er bewohnte ein nettes Logis, ward von ein brav. Ehepaar ge-pflegt, – u. ging's ihm im Alter besser, als in der Jugend, – wo er sich dürftig sein. Unterhalt verschaffte. In seinem Zimer hatte er ein Ölge-mälde seiner Mutter, die meine Schnalle an einer Ceintüre anhatte: entwed. testirte er dies Freunden, od. an Mozarteum in Salz-burg; = Ich hab' in Coburg vielleicht noch 1 Photografie meiner Schnalle, – sobald ich heimkome, sollen Sie 'nen Abdruck haben! ob dies bald sein kan? weiß ich heut' noch nicht z. sagen! Oft beklagte Mozart, daß Er Alles damals auf dem Mozart-fest in Salzburg verschenkt habe, – u. mir nichts mehr von seine Vater schenken zunen! - Sobald ich Rud. Ge-nèe sehe, werd' ich ihn nach dem quest. Artikel frag. u. Ihnen darüber per Kar-te berichten! – – Was Sie von dem hier Gesagten benützen wollen, steht Ihnen frei: – was Mozart (in der heutigen verrückt. Wagner u. melodielosen Zeit) nützen kan, dazu trag' ich gern Alles bei, mein Name, etc. steht Ihnen hiezu ganz zu Diensten. Mit bestem Gruß ___\hfill Ihre ergebenste Natalie ______________________\hfill v. Grünhof ____\hfill geb. Eschborn (genant Frassini[)].